Gefährdet der Populismus die Demokratien Europas? Dieser Frage widmete sich Prof. Dr. Frank Decker bei seinem Vortrag „Populismus und Extremismus in Europa“ im Rahmen der „Europäischen Horizonte“ am Dienstag, 31. Mai vor rund 130 Zuhörern.
Decker begann seinen Vortrag mit einer Definition des Wortes „Populismus“: Hauptwesensmerkmal des Populismus, so wie ihn die Wissenschaft versteht, ist seine „Anti-Establishment“-Haltung. Er ist ein Phänomen gesellschaftlicher Krisen, verbunden mit einem gefühlten oder realen Werte- und Orientierungsverlust sowie Statusängsten und Zukunftsunsicherheiten. Der Populismus nimmt für sich in Anspruch, den Willen des Volkes, oder besser, „des kleinen Mannes“ abzubilden und ihn gegen das Establishment zu verteidigen. Dies gilt sowohl für den Links- wie auch den Rechtspopulismus. Beiden Formen ist ebenfalls gemein, dass sie aus- und abgrenzen. Der Rechtspopulismus möchte sich abgrenzen von anderen Menschen, häufig von Ausländern oder Mitgliedern anderer Kulturen, der Linkspopulismus grenzt sich nicht von Gesellschaften aber vom System ab. Häufig ist populistischen Parteien inhärent, dass sie sich als Bewegung und nicht als Partei verstehen, dies äußert sich häufig im Namen. So tragen sowohl die Front National (Frankreich) als auch für die Lega Nord (Italien) oder die Alternative für Deutschland (Deutschland) das Wort „Partei“ nicht im Namen.
Meist vertreten Anhänger des Populismus die Ansicht, dass sie stellvertretend für eine angeblich homogenen Volkskörper stehen. Charakteristisch ist der Wunsch nach einer charismatischen Führerpersönlichkeit, die die Interessen der Populisten nach außen vertreten kann. Doch trotz all seiner Forderungen ist es häufig so, dass populistische Parteien in Bedrängnis geraten, wenn sie an der Regierung beteiligt werden (siehe beispielsweise die Schill-Partei). Einerseits, weil ihre Forderungen sich in Systemen, die auf Kompromissen basieren, nicht durchsetzen lassen, andererseits, weil sie plötzlich selbst zu dem Establishment gehören, welches sie vorher vehement bekämpft haben.
Bedeutend ist auch das Demokratieverständnis des Populisten: man appelliert an die Volkssouveränität, an die Herrschaft der Mehrheit vernachlässigt aber, dass moderne Demokratien in erster Linie Rechts- und Verfassungsstaaten sind, die die Demokratie insofern beschränken, als dass sie für Minderheitenschutz und Konsens sorgen. Eben jener Konsens passt jedoch nicht in das Demokratieverständnis des Populismus.
Decker bot zum Schluss seines rund 45-minütigen Vortrags drei Lösungsvorschläge für das Problem des Populismus an:
1. die plebiszitären Tendenzen müssten weggeschoben werden von Wahlen in andere Bereiche, er schlug eine Form der „Netzwerkdemokratie“ vor, in der mittels Inklusion Bevölkerung und Parteien besser vernetzt werden.
2. Parteimitglieder müssten stärker an den Entscheidungen der Partei selbst beteiligt werden, um damit eine Diskussionskultur zu fördern. Es könnte helfen, das Delegiertenprinzip abzuschaffen und mehr basisdemokratische Maßnahmen innerhalb der Partei durchzuführen.
3. Das Aufnehmen direktdemokratischer Elemente in den staatlichen Bereich.
Decker hält die Probleme des Populismus für begrenzbar, solange er nicht an die Macht kommt, denn sollten Populisten die absolute Regierungsgewalt stellen, so würden sie die Demokratie nach ihren eigenen, unpluralistischen Vorstellungen formen – und das Entstehen autoritärer Strukturen begünstigen.
Im Anschluss kam es zu einer langen und sehr intensiven Diskussion zwischen den Zuhörern und Herrn Prof. Decker.
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