Rückblick: Quelle surprise! Frankreich wählt neu

Am 08. Juli 2024 fand eine Online-Diskussion unter dem Titel „Quelle surprise! Frankreich wählt neu“ statt, an der 35 interessierte Gäste teilnahmen. Die Veranstaltung wurde von Jochen Leyhe moderiert und bot tiefgehende Analysen von Elisabeth Cadot, einer erfahrenen Deutschland-Korrespondentin französischer Medien, sowie Siebo Janssen, einem renommierten Historiker und Europa-Experten.

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24 07 08 Neuwahl Frankreich Cadot 300Die Neuwahlen in Frankreich wurden durch Präsident Emmanuel Macron nach einem enttäuschenden Ergebnis seiner Partei bei den Europawahlen initiiert. Macron, unzufrieden mit dem Wahlausgang, entschloss sich, die Nationalversammlung aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Elisabeth Cadot betonte, dass Macron die Bevölkerung vor die Wahl stellen wollte, jedoch die Stärke der linken Parteien unterschätzt habe. Ein weiterer spekulativer Grund, der von den Teilnehmenden diskutiert wurde, ist die bevorstehende Haushaltsdebatte im Herbst, die Macron möglicherweise zur Ausrufung der Neuwahl bewogen haben könnte. Siebo Janssen erläuterte, dass Macron seit Beginn seiner Amtszeit nie eine absolute Mehrheit im Parlament hatte und stets auf Unterstützung angewiesen war. Nach den Europawahlen versuchte Macron, diese Situation zu ändern und hoffte auf eine klare Mehrheit, um seine politischen Vorhaben ohne größere Hindernisse umsetzen zu können. Eine andere Theorie wäre, dass er die rechtsextreme Partei Rassemblement National (RN) bloßstellen und bis zu den nächsten Wahlen regieren lassen wollte, um deren Schwächen aufzuzeigen.

24 07 08 Neuwahl Frankreich 300Während der Diskussion kam auch die Frage nach dem Hass vieler Franzosen auf die Pariser Elite auf. Cadot erklärte, dass Macron oft als elitär und arrogant wahrgenommen werde, was zu dieser Ablehnung beitrage. Zudem sei Macron damals durch die Unterstützung linker Parteien an die Macht gekommen – diese Unterstützung habe er jedoch während seiner Amtszeit vergessen und die Belange linker Parteien nicht honoriert.

Die Rolle der rechtsextremen RN wurde intensiv diskutiert. Cadot merkte an, dass die RN stark mit Emotionen arbeite und viele Bürger*innen angesichts ihrer Unzufriedenheit bereit seien, der Partei eine Chance zu geben. Janssen wies darauf hin, dass dieses Phänomen in ganz Europa zu beobachten sei, und dass die RN insbesondere durch geschickte Nutzung von Plattformen wie TikTok an Popularität gewonnen habe.

Die Zukunft der französischen Politik wurde ebenfalls beleuchtet. Cadot betonte, dass sich die politische Lage in Frankreich momentan sehr dynamisch entwickle. Sie sprach auch über die mögliche Zukunft der 5. Republik und die Notwendigkeit der Kompatibilität eines neuen Premiers mit den linken Bündnisparteien. Janssen erläuterte drei mögliche Szenarien für die Regierungsbildung: eine technokratische Regierung ohne Mehrheit, eine unwahrscheinliche Koalition zwischen Macrons Ensemble-Partei und der Neuen Volksfront (Nouveau Front Populaire, NFP) sowie ein Bündnis aus den Grünen, Kommunisten, Sozialisten und Ensemble. Peter Wahl, Vorsitzender der Europa-Union NRW, brachte eine europäische Perspektive ein und fragte nach den Auswirkungen der Neuwahlen auf die Europäische Union. Janssen erklärte, dass die europaskeptischen Flügel gestärkt wurden, während Cadot weniger pessimistisch war, jedoch ihre Enttäuschung über Macrons Politik zum Ausdruck brachte.

Abschließend wurde die Bedeutung der deutsch-französischen Beziehungen diskutiert. Cadot und Janssen waren sich einig, dass diese Beziehungen in letzter Zeit schwieriger geworden seien, jedoch Potenzial für neue Kommunikationskanäle bestünde.

Die Teilnehmenden interessierten sich für Fragen rund um die Rolle von „Patriots for Europe“ im Europäischen Parlament, die Energieversorgung im europäischen Strommarkt sowie die Auswirkungen der Konflikte in der Ukraine und Gaza auf das Linksbündnis.

Die Veranstaltung war eine Kooperation der EUROPE DIRECT Informationszentren Aachen, Bocholt, Essen, Gütersloh und Steinfurt sowie der Europa-Union NRW und der Deutsch-Französischen Gesellschaft Bocholt.