Ergebnisse Karlspreis-Europa-Forum 2012

Europa soll von den Stärken seiner Staaten lernen

Einen eindringlichen Appell für eine gemeinsame europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik hat Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble am Vortag der Karlspreis-Verleihung beim Karls-Preis-Europa-Forum gehalten. „An den Stabilitäts- und Wirtschaftspakt haben wir uns nicht so richtig gehalten, deswegen ist er nicht ausreichend, und deswegen müssen wir weitergehen“, sagte Schäuble am Mittwochnachmittag vor rund 200 geladenen Gästen im Alten Kurhaus in Aachen. Er sehe weitere polittische Diskurse darüber voraus, welche Zuständigkeiten die einzelnen Mitgliedsstaaten künftig an Europa übertragen wollten: „Ich bin dafür, dass wir Europa ein bisschen mehr anvertrauen und auch zutrauen.“

Es gehe, betonte Schäuble, nicht darum, in Europa alles zu vereinheitlichen: „Aber das, was wir vereinheitlichen, machen wir im Wettbewerb.“ Die Vielfalt, die in Europa in allen Bereichen herrsche, nannte er „Garant für Nachhaltigkeit“.

Auch Michel Barnier, Mitglied der europäischen Kommission und zuständig für den europäischen Binnenmarkt, plädierte für die Vielfalt und empfahl eine Analyse der nationalen Wirtschaftspolitiken, um jeweilige Stärken als „best practice“-Beispiele nutzbar zu machen.

Barnier sagte nachdrücklich, man dürfe im Zuge der europäischen Krise keinesfalls vergessen, was Europa in den vergangenen 60 Jahren Aufgebaut habe.

Sven Giegold, Mitglied des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europäischen Parlaments und Mitbegründer von Attac Deutschland, forderte, die Europäer dürften sich nicht der

derzeit grassierenden Europaskepsis ergeben: „Wir opfern nicht den Binnenmarkt, sondern gestalten ihn aus.“ Allerdings sieht er im Bürokratieabbau bei der Ausgestaltung des Binnenmarktes die Chance, den Bürgern und Bürgerinnen den Nutzen von Europa wieder deutlicher zu machen. Investitionen in Zukunfts- und Schlüsseltechnologien, wie sie Michel Barnier in seiner Rede gefordert hat, seien wichtig.

Zentraler Punkt für den Weg aus der Krise, darin waren sich alle Redner des Karlspreis-Europa-Forums einig, sei es, den Bürgern Perspektiven aufzuzeigen. „Wir müssen eine partizipative Demokratie an der Basis erreichen“, sagte Barnier. Das sei auch mittels der neuen Medien- und Kommunikationswege möglich.

Bereits am Vormittag hatten die Teilnehmer des Karlspreis-Europa-Forums darüber debattiert, wie mehr Integration in Europa zu erreichen sei. Auch Dr. Wolfgang Schäuble war der Ansicht, mehr Integration sei, bei gleichzeitiger Ausgestaltung der europäischen Institutionen, der beste Weg für den Fortbestand und die Entwicklung der Europäischen Union.