EU-Staaten müssen mehr in gerechtere Bildungssysteme investieren

Kinder aus armen Familien und Familien mit Migrationshintergrund werden in Europas Bildungssystemen immer noch benachteiligt. Die Bildungsergebnisse der deutschen Schüler, inklusiver benachteiligter Schüler, haben sich verbessert.

Zu diesem Ergebnis kommt der in Brüssel veröffentlichte jährliche EU-Bildungsbericht. "Bildung ist ein entscheidender Faktor für die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Wenn sich Europas Bildungssysteme verbessern, müssen die positiven Auswirkungen dieses Erfolgs auch den am stärksten gefährdeten Gruppen zugutekommen. Dafür brauchen wir neue und verstärkte Investitionen in die Bildung, damit hochwertige offene, fördernde und tolerante Lernumgebungen für alle gewährleistet sind," sagte EU-Bildungskommissar Tibor Navracsics.

Der Bericht zeigt, dass die EU-Mitgliedstaaten zwar ihr Ziel erreicht haben, die Zahl der Personen mit höherem Abschluss zu erhöhen und die der frühzeitigen Schul- und Ausbildungsabgänger zu senken. Aber diese Fortschritte verteilen sich ungleichmäßig in Europa. Außerdem haben Schüler aus benachteiligten Schichten sowie mit Migrationshintergrund das höchste Risiko, den Mindestbildungsstand zu verfehlen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass 15-Jährige aus ärmeren Familien Grundqualifikationen wie Lesen, Schreiben und Rechnen nicht erwerben, ist fünf Mal höher als die Wahrscheinlichkeit bei ihren Altersgenossen aus günstigeren Verhältnissen. Bei Schülern, die im Ausland geboren sind ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Schule abbrechen,  doppelt so hoch wie ihren einheimischen Schulkameraden.

Weniger Schulabbrecher in Deutschland  

Keinem einzigen Mitgliedstaat ist es gelungen, die Zahl der Schüler aus ärmeren Familien, die bei Mathematik, Lesen und Naturwissenschaft bei den Pisa-Zielen schlecht abschneiden, unter das europäische Ziel von 15 Prozent zu senken. In Bulgarien, Rumänien, Zypern, Griechenland, der Slowakei und Ungarn ist mehr als die Hälfte die Schüler nicht in der Lage, grundlegende Mathematikaufgaben zu lösen.

Die Bildungsergebnisse der deutschen Schüler, inklusiver benachteiligter Schüler, haben sich verbessert. Deutschland hat beispielsweise die Zahl der Schulabbrecher auf 9,5 Prozent senken können und damit das europäische Ziel erreicht. Trotzdem fehlt in einigen Bereichen und Regionen als Folge der negativen demokratischen Entwicklung hochqualifiziertes Personal. Vor diesem Hintergrund müssen die Bildungsergebnisse weiter verbessert und die Korrelation von Bildungserfolg und sozioökonomischem Status gelockert werden – das ist grundlegend für eine nachhaltige  und exportorientierte Wirtschaft, die hohe Fähigkeiten erfordert.

Bildungsergebnisse hängen zu sehr vom sozioökonomischen Status ab

Das impliziert eine stärkere und bessere frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung, mehr und bessere Ganztagsschulplätze und einen besseren des Zugangs zu Weiterbildung für Geringqualifizierte. Schließlich wird die Integration der hohen Zahl von Flüchtlingen in das Bildungssystem und die Vorbereitung ihres Übergangs in den Arbeitsmarkt eine große Herausforderung für Deutschland.

Diese Situation in Europa ist vor dem Hintergrund ständiger Kürzungen bei den Bildungshaushalten zu betrachten, die europaweit seit 2010 um 3,2 Prozent zusammengestrichen wurden. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass ein neuer Impuls für Investitionen in die Bildung erforderlich ist, um inklusivere Bildungssysteme in Europa zu schaffen und einer zunehmenden Bildungsarmut vorzubeugen, die eine der Hauptursachen von Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung bleibt. Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, ihre Bemühungen auf die Verbesserung der Zugänglichkeit, Qualität und Relevanz ihrer Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung zu konzentrieren.

Der Anzeiger für die allgemeine und berufliche Bildung 2015 ist die vierte Auflage dieses jährlich erscheinenden Berichts, der die Entwicklung der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung in Europa aufzeigt und dazu eine Vielzahl von Daten zusammenstellt. Die Fortschritte in Europa werden an den Vorgaben des Kernziels "Bildung" für 2020 im Rahmen der allgemeineren EU-Strategie für Wachstum und Beschäftigung gemessen. Der Bericht bildet auch den Ausgangspunkt für die Bewertung der Leistung der EU-Länder als Basis für die jährlichen Länderberichte im Rahmen des Europäischen Semesters.

Der Anzeiger verstärkt weiterhin die allgemeine Faktengrundlage für die Bildungspolitik und hat sich zu einem Referenzinstrument für politische Entscheidungsträger in ganz Europa entwickelt. Er enthält einen Ländervergleich und 28 ausführliche Länderberichte, außerdem verfügt er über eine eigene Website mit zusätzlichen Daten und Informationen.