Schwieriger Netzausbau in Deutschland

Die EU ist auf gutem Weg, die Energieunion zu verwirklichen. In Deutschland bleibt jedoch der Ausbau des Stromübertragungsnetzes eine wichtige Herausforderung. Das zeigt der am 24. November von der EU-Kommission veröffentlichte dritte Bericht zur Energieunion, der ausführliche Analysen für die 28 Mitgliedstaaten enthält. Nachdem der Schwerpunkt der EU-Förderung für den Netzausbau zuletzt auf Gasprojekten für die Versorgungssicherheit im Baltikum und Südosteuropa lag, investiert die EU jetzt verstärkt in die Stromnetze: Die Kommission hat dazu eine neue Liste mit Vorhaben für wichtige Stromverbundnetze vorgestellt. So werden Verbindungsleitungen zwischen Dänemark nach Deutschland sowie die Südlink-Windstromleitung als Projekte von gemeinsamem Interesse durch die EU gefördert.

Zu dem Bericht erklärte Maroš Šefčovič, Vizepräsident der EU-Kommission und zuständig für die Energieunion: „Die Energieunion wird nur dann ein Erfolg, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Ziel ist, unserer Verpflichtung zur Vollendung der Energieunion bis zum Ende der Amtszeit dieser Kommission nachzukommen. Im Jahr 2019 darf die Energieunion nicht mehr länger nur auf dem Papier stehen, sondern muss tägliche Realität sein, die jedem EU-Bürger zugute kommt. Hier ist in allen Teilen der Gesellschaft mehr Eigenverantwortung gefragt Deshalb steht das nächste Jahr für mich im Zeichen des Engagements.“

Miguel Arias Cañete, EU-Kommissar für Klimapolitik und Energie, sagte: „Die europäische Energiewende ist auf gutem Weg - der Anteil der erneuerbaren Energien ist auf Rekordhöhe, bei gleichzeitig rasch sinkenden Kosten. Aber die europäische Energieinfrastruktur muss sich in gleichem Tempo in dieselbe Richtung entwickeln, um diese Energiewende zu unterstützen. Deshalb haben wir eine neue Liste mit Vorhaben für wichtige Stromverbundnetze und für intelligente Netze vorgeschlagen. Die heute beschlossenen Schritte zur Förderung der Infrastruktur für saubere Energie sind ein weiterer wichtiger Vorstoß für mehr Nachhaltigkeit, mehr Wettbewerbsfähigkeit und mehr Sicherheit im Energiesystem und schaffen einen echten europäischen Mehrwert.“

Der am 24. November veröffentlichte dritte Bericht über die Lage der Energieunion gibt einen Überblick über die Fortschritte, die im vergangenen Jahr nach Veröffentlichung des zweiten Berichts über die Lage der Energieunion vom Februar 2017 erzielt wurden, und enthält eine Vorschau auf das kommende Jahr.

Außerdem hat die Kommission die dritte Liste der Projekte von gemeinsamem Interesse verabschiedet. In den ersten drei Jahren wurde der Schwerpunkt stärker auf Gasprojekte gelegt, die für die Beendigung der Abschottung der Energieversorgung im östlichen Ostseeraum und die Versorgungssicherheit in Südosteuropa entscheidend waren.

Ab 2017 konzentriert sich die EU-Förderung mehr auf Projekte in den Bereichen Stromversorgung und intelligente Netze, wobei es darum geht, erneuerbare Energiequellen grenzüberschreitend einzubinden, Innovationen und die Digitalisierung voranzutreiben und das Netz „intelligenter“ zu machen.

Analyse zu Deutschland:

Im Jahr 2002 hatte der Europäische Rat alle Mitgliedstaaten aufgefordert, bis 2020 einen Verbundgrad von mindestens 10 Prozent ihrer vorhandenen Stromerzeugungskapazität zu erreichen. Das bedeutet, dass jeder Mitgliedstaat seine Stromleitungen so auslegen sollte, dass mindestens 10 Prozent des in den jeweiligen Kraftwerken erzeugten Stroms grenzüberschreitend in Nachbarländer weitergeleitet werden kann.

Zwischen 2014 und 2017 ist der Stromverbund in Deutschland von 10 auf 8,9 Prozent gesunken und liegt damit hinter dem Ziel von 10 Prozent für 2020. Dennoch ist das Land auf dem Weg, das 10 Prozent-Ziel bis 2020 durch die Fertigstellung der derzeit laufenden Projekte von gemeinsamem Interesse (PCI) zu erreichen. Dazu gehören unter anderem die inländische Verbindungsleitung zwischen Audorf und Hamburg/Nord oder die Verbindung zwischen Wilster in Deutschland und Tonstad in Norwegen.

Interne Engpässe im deutschen Stromübertragungsnetz stellen sowohl innerhalb Deutschlands als auch in den benachbarten Mitgliedstaaten nach wie vor eine Herausforderung dar. Es werden beträchtliche Anstrengungen unternommen, um die internen Netzwerke zu verbessern, aber die Verzögerungen bei wichtigen Projekten sind beträchtlich, auch wegen des politischen Widerstands. Netzüberlastung erfordert zunehmende Eingriffe von Übertragungsnetzbetreibern. Darüber hinaus wurde ein Reservesystem eingeführt, um die internen Engpässe vorübergehend zu beheben, bis das interne Netz ausreichend entwickelt ist.

Für das deutsche Netz ergeben sich neue Anforderungen, auch im Hinblick auf die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien. Erneuerbarer Strom wird dezentral erzeugt und gehört. Große Offshore-Projekte, die in Nord- und Ostsee geplant sind, dürften den Bedarf an Netzmanagement erhöhen.

Außerdem wird im dritten Bericht über die Lage der Energieunion bestätigt, dass ohne Anpassung der Infrastruktur an die Erfordernisse des zukünftigen Energiesystems eine Energiewende nicht möglich ist. Die Energie-, Verkehrs- und Telekommunikationsinfrastrukturen sind immer stärker miteinander verknüpft. Lokale Netze gewinnen im täglichen Leben der EU-Bürger — die zunehmend auf Elektromobilität, dezentrale Energieerzeugung und Laststeuerung setzen — immer mehr an Bedeutung. Dabei wurden bereits beachtliche Fortschritte erzielt, aber insbesondere im Elektrizitätsbereich treten weiterhin Engpässe auf.

Um hier Abhilfe zu schaffen, hat die Kommission am 24. November eine Mitteilung zum Stromverbundziel von 15 Prozent für 2030 angenommen.