Leitlinien der Kommission zur Minderung systemischer Risiken für Wahlen

Die Europäische Kommission empfiehlt eine Reihe von Maßnahmen und bewährten Verfahren, um gerade mit Blick auf die Integrität von Wahlen im Allgemeinen und die Europawahl im Besonderen systemische Risiken im Internet anzugehen. Die Leitlinien richten sich an sehr große Online-Plattformen und Suchmaschinen mit mehr als 45 Millionen aktiven Nutzerinnen und Nutzern in der EU. Diese Unternehmen sind nach dem Gesetz über digitale Dienste DSA verpflichtet, die Risiken im Zusammenhang mit Wahlprozessen zu mindern und Grundrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung zu wahren.

Schutz der User/Userinnen vor Manipulation und Fake News

Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager verwies auf den DSA, der sicherstellen soll, dass Technologien den Menschen und den Gesellschaften dienen. „Vor der wichtigen Europawahl umfasst dies die Verpflichtung der Plattformen, die Nutzerinnen und Nutzer vor Risiken im Zusammenhang mit Wahlprozessen – wie Manipulation oder Desinformation – zu schützen. Die heutigen Leitlinien enthalten konkrete Empfehlungen für Plattformen, diese Verpflichtung in die Praxis umzusetzen.“

Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton betonte: „Mit dem Gesetz über digitale Dienste ist Europa der erste Kontinent mit einem Gesetz zur Bewältigung systemischer Risiken auf Online-Plattformen, die sich in der Praxis negativ auf unsere demokratischen Gesellschaften auswirken können. 2024 ist ein wichtiges Jahr für Wahlen. Deshalb nutzen wir mit den heutigen Leitlinien in vollem Umfang alle Instrumente, die das Gesetz über digitale Dienste bietet. So stellen wir sicher, dass die Plattformen ihren Verpflichtungen nachkommen, dass sie nicht missbraucht werden, um unsere Wahlen zu manipulieren, und wir wahren zugleich das Recht auf freie Meinungsäußerung.“

Empfehlungen für die Zeit vor, während und nach den Wahlen

In den Leitlinien werden eine Reihe von Abhilfemaßnahmen und bewährten Verfahren empfohlen. Zum Beispiel:

  • interne Prozesse verstärken, durch angemessene Ressourcen für die Teams und die Nutzung von Analysen und Informationen auch über lokale Risiken;
    wahlspezifische Risiken mindern, im Zeitraum der Wahl und zugeschnitten auf den lokalen Kontext. Dazu gehören etwa Initiativen für Medienkompetenz und eine eindeutige Kennzeichnung politischer Werbung;
  • Risiken mit Blick auf die Nutzung von generativer Künstlicher Intelligenz mindern, etwa durch klare Kennzeichnung von KI generierten Inhalten (Deepfakes);
  • Mit nationalen Behörden und EU-Behörden, unabhängigen Expertinnen und Experten und NGOs zusammenarbeiten, unter anderem im Bereich Desinformation, Cybersicherheit und FIMI (Manipulation und Einflussnahem aus dem Ausland);
  • auf Zwischenfälle vorbereitet sein und reagieren können, um Auswirkungen auf Wahlergebnis oder Wahlbeteiligung zu verringern;
  • nach der Wahl die getroffenen Maßnahmen bewerten und eine nichtvertrauliche Fassung der Ergebnisse öffentlich machen – damit die Öffentlichkeit die Gelegenheit bekommt, Rückmeldungen abzugeben.

Die Leitlinien fördern auch eine enge Zusammenarbeit mit der Taskforce der Europäischen Beobachtungsstelle für digitale Medien (EDMO) für die Europawahl 2024. In die Leitlinien sind die Ergebnisse der von der Kommission am 8. Februar 2024 eingeleiteten öffentlichen Konsultation berücksichtigt. Die Kommission hat mit den Koordinatoren für digitale Dienste im Rahmen des Europäischen Gremiums für digitale Dienste an den Leitlinien zusammengearbeitet. Die Leitlinien fördern auch die Kontrolle durch Dritte und die Erforschung von Schadensbegrenzungsmaßnahmen.

Nächste Schritte

Sehr große Online-Plattformen und Suchmaschinen, die diesen Leitlinien nicht entsprechen, müssen gegenüber der Kommission nachweisen, dass ihre Maßnahmen zur Risikominderung gleichermaßen wirksam sind. Die Kommission kann bei Zweifeln an der Eignung dieser Maßnahmen weitere Informationen anfordern oder ein förmliches Verfahren nach dem Gesetz über digitale Dienste einleiten.

Für Ende April plant die Kommission einen Stresstest mit den einschlägigen Interessen­trägern. Das Ziel ist, dass die ergriffenen Instrumente und Kooperationsmechanismen so wirksam wie möglich genutzt werden.

Hintergrund

Der Schutz der Integrität von Wahlen ist eine der wichtigsten Prioritäten für die Durchsetzung des Gesetzes über digitale Dienste. 2024 finden viele Wahlen in der EU statt. Aus diesem Grund werden die von Online-Anbietern, auch der sehr großen Plattformen und Suchmaschinen, ergriffenen Maßnahmen zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf demokratische Prozesse, den gesellschaftlichen Diskurs und die Wahlprozesse im Zusammenhang mit dem DSA sorgfältig überwacht.

Im Februar 2024 hatte die Kommission eine öffentliche Konsultation zum Entwurf von Leitlinien für Wahlen eingeleitet. Es gingen 89 Antworten von mehreren interessierten Kreisen ein, von Organisationen der Zivilgesellschaft, Wirtschaftsverbänden, Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger. Die Leitlinien bauen auch auf den laufenden Arbeiten im Rahmen des Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation, der Verordnung über die Transparenz politischer Werbung und der Empfehlung der Kommission für inklusive und widerstandsfähige Wahlprozesse auf.

Berichte der Online-Plattformen mit Fokus auf Wahlen

Ebenfalls haben Online-Plattformen, die den Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation unterzeichnet haben, Berichte über ihre Maßnahmen zum Schutz der Integrität von Wahlen vorgelegt. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf der Europawahl im Juni. Die Berichte der Online-Plattformen, zu denen auch große Konzerne wie Google, Meta, Microsoft und TikTok gehören, sind im Transparenzzentrum verfügbar.

Věra Jourová, Vizepräsidentin für Werte und Transparenz, sagte: „In diesem wichtigen Wahljahr ist es wichtiger denn je, die Integrität unserer demokratischen Prozesse sowohl offline als auch online sicherzustellen. Die europäischen Wähler verdienen es, ihr Wahlrecht mithilfe überprüfbarer Fakten und nicht unbegründeter Narrative auszuüben.“

Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton forderte die Plattformen auf, alle zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen, „von der Moderation von Inhalten bis hin zur Nutzung glaubwürdiger Quellen, um ein freies und faires Informationsumfeld zu gewährleisten.“ Es gehe darum, die Grundfesten unserer Demokratien zu schützen.

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