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Kartellstrafe von 329 Mio. Euro für Online-Essenslieferdienste

Die Europäische Kommission hat gegen Delivery Hero und Glovo, zwei große Lebensmittellieferanten, Geldbußen in Höhe von insgesamt 329 Millionen Euro verhängt, weil sie an einem Kartell im Bereich der Online-Essenslieferung beteiligt waren.

Beide Unternehmen gaben ihre Beteiligung an dem Kartell zu und erklärten sich bereit, den Fall beizulegen. Dies ist die erste Entscheidung, in der die Kommission ein Kartell auf dem Arbeitsmarkt feststellt, und das erste Mal, dass sie die wettbewerbswidrige Nutzung einer Minderheitsbeteiligung an einem konkurrierenden Unternehmen sanktioniert.

Teresa Ribera, Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission, sagte: „Die Parteien hatten vereinbart, einander keine Mitarbeiter abzuwerben, sie haben Informationen ausgetauscht und die geografischen Märkte im EWR aufgeteilt. Dieser Fall ist wichtig, weil diese Praktiken durch eine wettbewerbswidrige Nutzung der Minderheitsbeteiligung von Delivery Hero an Glovo erleichtert wurden. Es ist auch das erste Mal, dass die Kommission eine Abwerbungsvereinbarung sanktioniert, bei der Unternehmen den Wettbewerb um die besten Talente einstellen und die Möglichkeiten für Arbeitnehmer verringern.“

Die Zuwiderhandlung

Die beiden Unternehmen vereinbarten insbesondere,

  1. keine Mitarbeiter des jeweils anderen Unternehmens abzuwerben,
  2. wirtschaftlich sensible Informationen auszutauschen und
  3. räumliche Märkte aufzuteilen.

Die Zuwiderhandlung erstreckte sich auf den Europäischen Wirtschaftsraum („EWR“) und dauerte vier Jahre. Kartelle dieser Art schränken die Auswahlmöglichkeiten für Verbraucherinnen und Verbraucher und Geschäftspartnerinnen und -partner ein, verringern die Chancen für Arbeitnehmer und mindern die Anreize für Wettbewerb und Innovation.

Der Verstoß im Detail

Delivery Hero und Glovo sind zwei der größten Essenslieferdienste Europas. Sie liefern Essen (zubereitet von einem Restaurant oder einer professionellen Küche), Lebensmittel und andere Einzelhandelsprodukte (Non-Food) an Kunden, die über eine App oder eine Website bestellen.

Im Juli 2018 erwarb Delivery Hero eine Minderheitsbeteiligung an Glovo und erhöhte diese durch weitere Investitionen schrittweise. Im Juli 2022 übernahm Delivery Hero die alleinige Kontrolle über Glovo.

Die Kommission hat festgestellt, dass Delivery Hero und Glovo von Juli 2018 bis Juli 2022 schrittweise Wettbewerbsbeschränkungen zwischen den beiden Unternehmen beseitigt und den Wettbewerb durch eine vielschichtige wettbewerbswidrige Koordinierung ersetzt haben. Insbesondere haben die beiden Unternehmen vereinbart:

  • Die Mitarbeiter des jeweils anderen nicht abzuwerben: Die Aktionärsvereinbarung, die zu dem Zeitpunkt unterzeichnet wurde, als Delivery Hero eine Minderheitsbeteiligung an Glovo erwarb, enthielt begrenzte gegenseitige Nichtanstellungsklauseln für bestimmte Mitarbeiter. Kurz darauf wurde diese Vereinbarung zu einer allgemeinen Übereinkunft erweitert, sich nicht aktiv an die Mitarbeiter des jeweils anderen Unternehmens zu wenden.
  • Vertrauliche Geschäftsinformationen auszutauschen: Der Austausch geschäftlich sensibler Informationen (z. B. über Geschäftsstrategien, Preise, Kapazitäten, Kosten und Produkteigenschaften) ermöglichte es den Unternehmen, ihr jeweiliges Marktverhalten abzustimmen und zu beeinflussen.
  • Räumliche Märkte aufzuteilen: Die beiden Unternehmen kamen insbesondere überein, die nationalen Märkte für Online-Lebensmittellieferungen im EWR untereinander aufzuteilen, indem sie alle bestehenden räumlichen Überschneidungen zwischen ihnen beseitigten, den Eintritt in ihre jeweiligen nationalen Märkte vermieden und sich darüber abstimmten, wer von ihnen in Märkte eintreten sollte, in denen sie noch nicht vertreten waren.

Alle oben genannten Praktiken wurden durch die Minderheitsbeteiligung von Delivery Hero an Glovo erleichtert. Der Besitz einer Beteiligung an einem Wettbewerber ist an sich nicht rechtswidrig, ermöglichte in diesem konkreten Fall jedoch wettbewerbsschädigende Kontakte zwischen den beiden konkurrierenden Unternehmen auf mehreren Ebenen. Darüber hinaus ermöglichte sie Delivery Hero den Zugang zu vertraulichen Geschäftsinformationen, die Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse bei Glovo und letztlich die Angleichung der jeweiligen Geschäftsstrategien beider Unternehmen. Dies zeigt, dass horizontale Verflechtungen zwischen Wettbewerbern kartellrechtliche Risiken bergen können und mit Vorsicht zu genießen sind.

Nach Auffassung der Kommission handelt es sich bei den drei wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen um eine einzige und fortgesetzte Zuwiderhandlung, die den gesamten EWR umfasst und einer bezweckten Zuwiderhandlung im Sinne des Artikels 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union („AEUV“) und des Artikels 53 des EWR-Abkommens gleichkommt.

Geldstrafen

Die gegen beide Unternehmen verhängten Geldbußen wurden auf Grundlage der Bußgeldleitlinien der Kommission von 2006 festgesetzt. Bei der Festsetzung der Geldbußen berücksichtigte die Kommission verschiedene Faktoren, darunter die Vielschichtigkeit des Kartells, seine Ausdehnung auf den gesamten EWR, seine Gesamtdauer und seine Entwicklung im Laufe der Zeit, einschließlich Phasen geringerer Kartellintensität. Darüber hinaus nahm die Kommission gemäß der Vergleichsmitteilung der Kommission von 2008 eine pauschale Ermäßigung der Geldbußen um 10 Prozent vor, da beide Unternehmen ihre Beteiligung am Kartell und ihre Haftung anerkannten.

Die Aufschlüsselung der den einzelnen Parteien auferlegten Geldbußen lautet wie folgt:

  • Delivery Hero SE: 223.285.000 €
  • Glovoapp23 SA: 105.732.000 €

Hintergrund

Die Parteien

Delivery Hero mit Hauptsitz in Deutschland ist ein im Bereich der Essenslieferung tätiges Unternehmen. Das Unternehmen ist derzeit in über 70 Ländern weltweit vertreten, davon 16 im EWR. Delivery Hero arbeitet mit Hunderttausenden von Restaurants zusammen. Delivery Hero ist an der Frankfurter Börse notiert.

Glovo mit Hauptsitz in Spanien ist ebenfalls im Bereich der Lebensmittellieferung tätig. Das Unternehmen ist derzeit in über 20 Ländern weltweit vertreten, davon 8 im EWR.

Im Juli 2022 erwarb Delivery Hero die Mehrheit der Glovo-Aktien und Glovo wurde eine Tochtergesellschaft von Delivery Hero.

Die Untersuchung der Kommission

Artikel 101 AEUV und Artikel 53 des EWR-Abkommens verbieten Vereinbarungen und andere wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen, die den Handel beeinträchtigen und den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts verhindern oder einschränken können.

Im Juni 2022 und November 2023 führte die Kommission unangekündigte Nachprüfungen in den Geschäftsräumen von Delivery Hero und Glovo durch. Die Untersuchung erfolgte aus eigener Initiative der Kommission zu möglichen Absprachen im Lebensmittelliefersektor. Sie wurde im Anschluss an eine Marktbeobachtung eingeleitet, die durch Hinweise einer nationalen Wettbewerbsbehörde und über das anonyme Whistleblower-Tool ausgelöst worden war. Die Untersuchung wurde im Juli 2024 offiziell eingeleitet.

Diese Untersuchung ist Teil der Bemühungen der Kommission, den Verbrauchern beim Lebensmitteleinkauf Auswahl und angemessene Preise zu bieten. In einem jungen und dynamischen Markt wie dem des Online-Lebensmittellieferdienstes, in dem die Anbieter oft versuchen, die Marktführerschaft zu übernehmen oder sich aus dem Markt zurückzuziehen, können wettbewerbswidrige Vereinbarungen und restriktive Geschäftspraktiken, insbesondere Marktaufteilungskartelle, zu einer verdeckten Marktkonsolidierung mit potenziell negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb führen.

Diese Untersuchung trägt auch dazu bei, einen fairen Arbeitsmarkt zu gewährleisten, auf dem die Arbeitgeber nicht gemeinsam die Zahl und Qualität der Möglichkeiten für Arbeitnehmer beschränken, sondern um Talente konkurrieren.

Sobald alle Fragen zur Vertraulichkeit geklärt sind, werden weitere Informationen zu diesem Fall im öffentlich zugänglichen Register der Kommission auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb unter der Nummer AT.40795 veröffentlicht. Weitere Informationen zu den Maßnahmen der Kommission gegen Kartelle finden Sie auf ihrer Website zum Thema Kartelle.

Das Vergleichsverfahren in Kartellfällen

Das Vergleichsverfahren in Kartellfällen wurde im Juni 2008
eingeführt. In einem Kartellvergleich erkennen die Parteien ihre Beteiligung an einem Kartell und ihre Haftung dafür an. Sie akzeptieren auch die Höchsthöhe der von der Kommission verhängten Geldbuße. Kartellvergleiche basieren auf der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 und ermöglichen der Kommission ein vereinfachtes und verkürztes Verfahren. Dies kommt Verbrauchern und Steuerzahlern zugute, da Kosten gesenkt werden. Auch die Kartellrechtsdurchsetzung profitiert, da Ressourcen freigesetzt werden. Schließlich profitieren die Parteien selbst von schnelleren Entscheidungen und einer 10-prozentigen Reduzierung der Geldbußen. Die heutige Entscheidung ist die 44. Vergleichsvereinbarung seit Einführung dieses Kartellverfahrens.

Kronzeugenprogramm

Das Kronzeugenprogramm der Kommission gibt Unternehmen die Möglichkeit, ihre Beteiligung an einem Kartell offenzulegen und während einer Untersuchung mit der Kommission zu kooperieren. Erfolgreiche Antragsteller können eine potenziell hohe Geldbuße entweder vollständig vermeiden oder erhalten eine erhebliche Ermäßigung. Weitere Informationen zum Kronzeugenprogramm der Kommission, einschließlich eines Dokuments mit häufig gestellten Fragen, finden Sie hier.

Whistleblower-Tool

Die Kommission hat ein Tool eingerichtet, das es Einzelpersonen und Unternehmen erleichtert, die Kommission anonym auf wettbewerbswidriges Verhalten hinzuweisen. Dieses Tool schützt die Anonymität von Hinweisgebern durch ein speziell entwickeltes verschlüsseltes Nachrichtensystem, das eine wechselseitige Kommunikation ermöglicht. Das Tool ist über diesen Link erreichbar.

Schadensersatzklage

Jede Person oder jedes Unternehmen, das von dem beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen ist, kann vor den Gerichten der Mitgliedstaaten Schadensersatz verlangen. Sowohl die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union als auch die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates bestätigen, dass ein Beschluss der Kommission vor nationalen Gerichten einen verbindlichen Beweis dafür darstellt, dass das Verhalten stattgefunden hat und rechtswidrig war. Auch wenn die Kommission gegen die betroffenen Unternehmen Geldbußen verhängt hat, können nationale Gerichte Schadensersatz zusprechen, ohne dass die von der Kommission verhängte Geldbuße gekürzt wird.

Die Richtlinie über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen
erleichtert Opfern wettbewerbsschädigender Praktiken die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Weitere Informationen zu Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen, einschließlich eines praktischen Leitfadens zur Bemessung des kartellrechtlichen Schadens, finden Sie hier.

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