Rede in Berlin: Kommissionspräsidentin von der Leyen zur Wettbewerbsfähigkeit der EU
Die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen hat auf einem Spitzentreffen der führenden deutschen Industrie- und Wirtschaftsverbände in Berlin betont, wie entscheidend der Kampf um die Wettbewerbsfähigkeit für Europa sei.
„Entscheidend für unsere Betriebe, unsere Arbeitsplätze und unseren Wohlstand. Aber er ist genauso entscheidend für Europas Zukunft: Wir können nur dann Frieden und Freiheit schützen, wenn wir auch unsere wirtschaftliche Stärke erhöhen. Wenn wir unabhängig werden – bei kritischen Rohstoffen, bei Verteidigung, bei Energie. Wenn wir schneller werden – durch die Bank weg. Das ist der klare Auftrag, und er duldet keinen Aufschub mehr.“
Neun Monate im Amt – das wurde bereits umgesetzt
Von der Leyen führte aus, dass sich die Kommission – angelehnt an den Draghi-Bericht - mit dem Wettbewerbsfähigkeits-Kompass eine Richtung gegeben und sofort an die Arbeit gemacht habe: „Im Januar kam der Clean Industrial Deal, im Februar haben wir die AI-Gigafactories auf den Weg gebracht. Im März – das größte Verteidigungs-Investitionsprogramm in der europäischen Geschichte. Auch im März: Die Kapitalmarktunion, wir nennen das Paket „Savings- and Investment Union“. Dazu Aktionspläne für die Stahl-, Autoindustrie und andere. Im Mai die Binnenmarkt-Strategie. Im Juni der Schub für „Quantumcomputing“ und ein neuer Beihilferahmen. Im Juli dann der Vorschlag für ein neues Sieben-Jahres-Budget. Es stellt die Wettbewerbsfähigkeit in den Mittelpunkt, und zwar mit einem neuen Wettbewerbsfonds in Höhe von 400 Milliarden Euro.“
Fünf Themenbereiche
Von der Leyen ging in ihrer Rede auf fünf Themenbereiche ein: Bürokratieabbau, bezahlbare Energie, Binnenmarkt, Handel sowie Entlastung des Mittelstandes.
Bürokratieabbau
Von der Leyen sprach darüber, dass Regeln, Berichtspflichten und Anforderungen gerade den vielen Mittelständlern und Handwerksbetrieben das Wirtschaften erschweren. „Wir müssen eine breite Schneise durch den Dschungel schlagen. Wir durchforsten deshalb gemeinsam mit den Verbänden und Unternehmen der verschiedenen Sektoren die europäische Gesetzgebung. Wir haben die ersten sechs Vereinfachungspakete auf den Weg gebracht – die sogenannten Omnibusse. Von der Nachhaltigkeitsberichterstattung und den Lieferketten über Investitionen bis hin zur Verteidigung. Unsere Vorschläge werden zu Einsparungen von mehr als 8 Milliarden Euro pro Jahr führen. Und weitere kommen. Ich möchte aber auch klar sagen: Noch ist kein Omnibus am Ziel. Wir brauchen dringend grünes Licht vom Europäischen Parlament und von den Mitgliedstaaten.“
Bezahlbare Energie
Die Kommissionspräsidentin verwies auf das zugrundeliegende Problem der Abhängigkeit vom Weltmarkt und den dadurch anfallenden hohen Kosten. „Schlüssel für Bezahlbarkeit und Energiesicherheit ist dagegen die Energie, die hier in Europa produziert wird und die uns unabhängig macht vom volatilen Weltmarkt. Das sind Erneuerbare Energien und das ist Nuklearenergie. Europa hat sichtbare Fortschritte gemacht. 72 Prozent des erzeugten Stroms in der EU stammen aus „low-carbon“ Energie, in Deutschland sind es 63 Prozent. Und das zahlt sich aus. Inzwischen haben wir in Europa mehr als 60 Milliarden Euro an fossilen Brennstoffimporten gespart. Aber – günstige Energie muss nicht nur produziert werden. Sie muss auch bei den Verbrauchern, bei Ihnen, ankommen. Das wird ja auch hier in Berlin gerade intensiv diskutiert. Europa kann hier unterstützen, zum Beispiel durch klugen Ausbau der europäischen Netzinfrastruktur.“
Von der Leyen verwies auf Cleantech-Produkte als weltweite Wachstumsfelder der Zukunft, mit steigenden Investitionen in Windenergie, einem boomenden Markt für Elektro-Autos und das Potential, das Europa hat. „Wir können die Industriemacht sein, die diese wachsende Nachfrage nach Lösungen bedient. Aber das ist keine Selbstverständlichkeit. Unsere Industrien sind Vorreiter im Wettlauf um die Dekarbonisierung. Aber das Rennen ist offen. Europa muss seine Industrien schützen. Wir müssen für ein „Level Playing Field“ auf globaler Ebene sorgen. Und wir müssen unsere eigenen Möglichkeiten besser nutzen, um Lieferketten stabil zu halten. Und, um unabhängiger zu werden.”
Binnenmarkt
Hier verwies die Kommissionspräsidentin auf Berechnungen des IWF, wonach die noch bestehenden Marktbarrieren den freien Warenfluss hemmen - wie ein Zoll von 45 Prozent für Güter und 110 Prozent für Dienstleistungen. „Und diese Hindernisse bauen wir jetzt systematisch ab. Ein deutscher Mittelständler, der anderswo in Europa Maschinen wartet, muss doch seine Mitarbeiter problemlos dorthin entsenden können. Deshalb vereinfachen und digitalisieren wir die Verfahren. Genauso problemlos muss ein Handwerksbetrieb geeignete Arbeitskräfte aus der EU oder von außerhalb rekrutieren können. Deshalb machen wir die Anerkennung von beruflichen Qualifikationen leichter. Und kein Unternehmen, das seine Produkte EU-weit vertreibt, sollte sie 27-mal neu kennzeichnen müssen. Deshalb vereinheitlichen wir das. Die Gesetze sind auf dem Weg und ich hoffe auf eine zügige Einigung von Rat und Parlament.“
Handel
Von der Leyen betonte, wie entscheidend offene Märkte sind, gerade auch für ein so exportstarkes Land wie Deutschland. „Und die geopolitischen Spannungen sind Gift. Wir erleben Ausfuhrkontrollen in China, die ganze Produktionslinien bei uns in Bedrängnis bringen. Drohende Handelskriege schaffen Unsicherheit. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einmal den Elefanten im Raum ansprechen: Die Zollvereinbarung mit den USA. Sie alle wissen, dass ich Zölle für falsch halte. Diese Zölle sind in erster Linie Steuern für amerikanische Verbraucher. Für uns entscheidend ist, dass unsere Unternehmen weiter Marktzugang haben. Und mit der vereinbarten umfassenden Obergrenze von 15 Prozent – „all-inclusive“ – werden sie eine sehr wettbewerbsfähige Position haben. Aber wir sollten auch bedenken, dass 80 Prozent unseres Handels mit Ländern außerhalb der USA stattfindet. Und deshalb spannen wir unser großes Netz an Handelspartnerschaften in der Welt noch weiter. Wir haben in den letzten neun Monaten erfolgreich Abkommen mit Mercosur, Mexiko und der Schweiz abgeschlossen.“
Entlastung des Mittelstandes
Mit Blick auf den Mittelstand bekräftigte von der Leyen, dass eine Entlastung der rund 23 Millionen KMUs in der EU, von Bäcker*innen bis zu Maschinenbauer*innen, ein Schwerpunkt der Kommission ist. „Jeder neue Rechtsakt muss einen neuen, strikteren KMU- und Wettbewerbsfähigkeitscheck durchlaufen. Auch in unserer Binnenmarkstrategie und bei der Vereinfachung sind KMUs zentral. Ein Beispiel: Ein kleineres Unternehmen muss expandieren können, ohne gleich die vollen Pflichten der Großen zu haben. Deshalb führen wir die neue Kategorie der „Small Mid-Caps“ ein. Mit unseren Paketen zur Vereinfachung wollen wir den Verwaltungsaufwand für alle Unternehmen um mindestens 25 Prozent senken. Für KMUs um 35 Prozent. Denn sie sind der Schlüssel für unsere Wettbewerbsfähigkeit.“
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