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Von der Leyen zu den Beziehungen EU/China

In einer Grundsatzrede über den Umgang mit China hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für eine starke und geeinte europäische Haltung plädiert: „In diesem entscheidenden Moment der Weltpolitik brauchen wir den gemeinsamen Willen, geschlossen zu reagieren.“

Von der Leyen sprach bei einer Veranstaltung der beiden Thinktanks Mercator Institute for China Studies (MERICS) und European Policy Centre (EPC) in Brüssel. Sie beschrieb dabei die Beziehung der EU zu China als eine der „weltweit schwierigsten und bedeutendsten. Und wie wir damit umgehen, bestimmt entscheidend unseren künftigen wirtschaftlichen Wohlstand und unsere nationale Sicherheit.“ Europa stehe vor einer Neuausrichtung in den wichtigsten Bereichen.

Verständnis beginnt mit dem Gespräch

Die Kommissionspräsidentin verwies auf die Ankündigung des chinesischen Präsidenten Xi beim KP-Parteitag im Oktober, China solle bis 2049 weltweit führend sein in Sachen „umfassende Landesstärke und internationaler Einfluss“. Es sei positiv, dass sich die chinesische Wirtschaft nach Corona langsam wieder öffne, dass es wieder einen Austausch der Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Diplomaten gebe. „Gleichzeitig sind wir jedoch besorgt über das, was sich hinter dieser Rückkehr auf die Weltbühne verbirgt. Die Festlegung einer erfolgreichen europäischen Strategie gegenüber China muss mit einer nüchternen Betrachtung unserer derzeitigen Beziehungen und der strategischen Absichten Chinas beginnen.“

Strategische Haltung Chinas hat sich verschärft

Mit Blick auf die vergangenen Jahre konstatiert von der Leyen: Die Beziehungen haben sich gelockert und sind schwieriger geworden. Das habe auch der Staatsbesuch von Xi in Moskau jüngst deutlich gemacht. Xi halte an der „felsenfesten Freundschaft“ zu Putins Russland fest, ungeachtet der völkerrechtswidrigen Invasion der Ukraine. Xi sehe dabei die Schwäche des russischen Präsidenten als Möglichkeit, mehr Einfluss auf Russland zu nehmen. Als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat, so betont die Kommissionspräsidentin, trägt China Verantwortung für die Grundsätze und Werteder Charta der Vereinten Nationen. „Ein Friedensplan, der russische Annexionen faktisch konsolidiert, ist kein tragfähiger Plan. Wir müssen in diesem Punkt ganz offen und ehrlich sein. Chinas weitere Positionierung gegenüber Putins Krieg wird ein entscheidender Faktor für die künftigen Beziehungen zwischen der EU und China sein.“ Von der Leyen sprach auch das Thema Menschenrechts-Verletzung in Xinjiang an, den Einsatz der chinesischen Streitkräfte im Süd- und im Ostchinesischen Meer an. Und: „So wie China militärisch aufgerüstet hat, hat es auch seine Politik der Desinformation und des wirtschaftlichen und handelspolitischen Drucks forciert.“

Wandel in China bedeutet einen Kurswechsel in der Politik

Von der Leyen zieht drei Schlussfolgerungen aus dem Wandel Chinas, der getragen ist von mehr Repression daheim und mehr Selbstbewusstsein im Ausland:

  • China hat die Zeit der „Reform und Öffnung“ hinter sich gelassen und tritt in eine neue Ära der Sicherheit und der Kontrolle ein. Sicherheit (militärisch, technologisch und wirtschaftlich) wird wichtiger für China, es sind strengere wirtschaftliche Kontrollmaßnahmen zu erwarten sowie die Strategie, andere Länder in Abhängigkeit zu bringen, etwa bei kritischen Rohstoffen und HighTech.
  • Das Gebot der Sicherheit und der Kontrolle untergräbt jetzt die Logik freier Märkte und offenen Handels. Von der Leyen spricht von einem Weltbild des chinesischen Präsidenten, das vom Sendungsbewusstsein der chinesischen Nation geprägt ist
  • Die Kommunistische Partei will einen systemischen Wandel der internationalen Ordnung, mit China im Mittelpunkt. China vertrete in multilateralen Gremien eine alternative Vorstellung der Weltordnung: „Eine Weltordnung, bei der die Rechte des Einzelnen der nationalen Souveränität untergeordnet sind. Wo Sicherheit und Wirtschaft Vorrang vor politischen und bürgerlichen Rechten haben.“

Die Antwort der EU

Vor diesem Hintergrund sieht die Kommissionspräsidentin die Notwendigkeit, das internationale System selbst zu stärken, mit den Partnern bei globalen Themen zusammenzuarbeiten und die Institutionen und Systeme stärken, in denen die Länder miteinander konkurrieren und zusammenarbeiten können und von denen sie profitieren. Mit Blick auf China dabei wichtig: diplomatische Stabilität und offene Kommunikationsverbindungen. „Ich glaube, es ist weder umsetzbar noch im Interesse Europas, sich von China abzukoppeln. Unsere Beziehungen sind nicht entweder schwarz oder weiß – und auch unsere Antwort kann es nicht sein. Deshalb müssen wir uns auf die Risikominderung anstatt Entkopplung konzentrieren.“ Das sei auch einer der Gründe für den geplanten gemeinsamen Peking-Besuch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron: Beziehungen pflegen, sich offen und ehrlich austauschen, auch über Themen, die Anlass zur Sorge geben.

Diplomatische Errungenschaften

Von der Leyen nannte einige Beispiele für eine gute Zusammenarbeit von EU und China, etwa im Kampf gegen den Klimawandel und beim Schutz der Weltmeere. „Und wir freuen uns darauf, im Vorfeld der COP28 in diesem Jahr in diesem Sinne zusammenzuarbeiten. Das zeigt, was möglich ist, wenn die Interessen übereinstimmen. Und es zeigt, dass Diplomatie weiterhin funktionieren kann – sei es bei der Pandemievorsorge, der Nichtverbreitung von Kernwaffen oder der weltweiten Finanzstabilität.“

Das wirtschaftliche Risiko mindern

Der Großteil des Handels mit Waren und Dienstleistungen ist weiterhin für beide Seiten vorteilhaft. Von der Leyen betonte: „Unsere Beziehungen sind jedoch unausgewogen und werden zunehmend von Verzerrungen beeinflusst, die durch Chinas staatskapitalistisches System verursacht werden. Daher müssen wir diese Beziehungen auf der Grundlage von Transparenz, Berechenbarkeit und Gegenseitigkeit neu austarieren. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Handels- und Investitionsbeziehungen den Wohlstand in China und in der EU fördern.“ Konkret:Neubewertung desverhandelten Investitionsabkommens mit China, Stresstests mit Blick auf die Widerstandsfähigkeit und Abhängigkeiten der EU, mehr Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaft und Industrie in Europa. Von der Leyen verwies in diesem Zusammenhang unter anderem auf das jüngste vorgelegte Netto-Null-Industrie-Gesetz als zentralen Bestandteil des Europäischen Grünen Deals sowie auf das Gesetz zu kritischen Rohstoffen, das zur Diversifizierung und Versorgungssicherheit beitragen soll. Auch gehe es darum, das bestehende Handelsinstrumentarium besser zu nutzen, neue Abwehrsysteme für kritische Sektoren zu entwickeln und sich international mit den Partnern noch enger abzustimmen.

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